Unentdeckte Rückzugsräume: Wie militärisch genutzte Flächen zur Artenvielfalt beitragen

Wenn man an Naturschutzgebiete denkt, kommen einem meist Wälder, Moore oder Schutzparks in den Sinn – nicht jedoch Truppenübungsplätze. Dabei sind militärisch genutzte Areale in Deutschland überraschend wichtige Rückzugsorte für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten. Durch ihren besonderen Status bleiben sie häufig weitgehend ungestört und bieten selten gewordenen Lebensräumen eine unerwartete Heimat.

Abgeschottete Flächen mit besonderem Wert

Militärische Übungsplätze gehören zu den am wenigsten zerschnittenen Landschaften in Deutschland. Aufgrund ihrer Nutzung sind sie für die Öffentlichkeit meist nicht zugänglich und unterliegen strengen Zutrittsregelungen. Das hat einen bemerkenswerten Nebeneffekt: Die Natur hat dort oft mehr Raum zur Entfaltung als in vielen anderen Regionen, in denen Landwirtschaft, Verkehr und Siedlungsbau dominieren.

Im Gegensatz zu intensiv genutzten Agrarflächen finden sich auf diesen Arealen noch naturnahe Biotope, extensiv genutzte Wiesen, Heiden, Trockenrasen oder Feuchtgebiete – Lebensräume, die andernorts zunehmend verschwinden.

Dynamik durch militärische Nutzung

Tatsächlich entsteht der ökologische Wert nicht trotz, sondern teilweise gerade wegen der militärischen Nutzung. Die regelmäßige Bewegung von Fahrzeugen, das Offenhalten bestimmter Flächen und die unregelmäßige Bodenbearbeitung sorgen für eine Strukturvielfalt, die ökologisch wertvoll ist. So entstehen Pionierstandorte, offene Bodenstellen oder gestörte Flächen, die bestimmten Arten ideale Bedingungen bieten – etwa für seltene Insekten, Vögel oder spezialisierte Pflanzen.

Diese Flächen sind oft mosaikartig aufgebaut: lichte Wälder, offene Heideflächen, Kleingewässer und Altgrasstreifen wechseln sich ab. Die dadurch entstehende Vielfalt an Mikrohabitaten ermöglicht es einer ungewöhnlich großen Zahl an Arten, nebeneinander zu existieren.

Rückzugsräume für bedrohte Arten

Viele Truppenübungsplätze gelten als Hotspots der Biodiversität. Seltene und bedrohte Arten wie der Ziegenmelker, der Wiedehopf oder bestimmte Orchideenarten haben hier stabile Populationen. Auch Amphibien, Reptilien oder Insekten, die auf wenig gestörte und strukturreiche Lebensräume angewiesen sind, finden auf diesen Flächen optimale Bedingungen vor.

Besonders bemerkenswert ist, dass einige Arten, die in klassischen Naturschutzgebieten kaum noch zu finden sind, sich ausgerechnet auf militärischem Gelände halten konnten. Der eingeschränkte Zugang, die regelmäßige, aber begrenzte Nutzung und das Fehlen intensiver Bewirtschaftung schaffen ein seltenes Gleichgewicht zwischen Dynamik und Ruhe.

Zusammenarbeit mit Naturschutzfachleuten

Die ökologische Bedeutung dieser Flächen ist mittlerweile gut dokumentiert. Zahlreiche der militärisch genutzten Areale sind heute als europäische Schutzgebiete ausgewiesen – etwa im Rahmen des Natura-2000-Netzes. Die Betreuung erfolgt häufig in Kooperation mit Biologen, Naturschutzbehörden und Fachinstitutionen.

Monitoring-Programme, Pflegepläne und gezielte Artenschutzmaßnahmen sorgen dafür, dass wertvolle Lebensräume erhalten bleiben – auch wenn sich die militärische Nutzung über die Jahre ändert oder reduziert wird. In einigen Fällen werden sogar bestimmte Übungsabläufe mit ökologischen Zielsetzungen abgestimmt, um seltene Habitate gezielt zu fördern.

Was passiert bei Aufgabe der Nutzung?

Wird ein militärisches Gelände stillgelegt, droht nicht automatisch eine ökologische Aufwertung – im Gegenteil. Ohne regelmäßige Störungen kann es zur Verbuschung oder Verwaldung kommen, wodurch wertvolle Offenlandlebensräume verloren gehen. Zudem besteht die Gefahr, dass aufgegebene Areale für Siedlungsbau, Gewerbe oder intensivere Landwirtschaft umgenutzt werden.

Deshalb spielt das sogenannte Konversionsmanagement – also die ökologische Nachnutzung ehemaliger Truppenstandorte – eine wichtige Rolle. Ziel ist es, die biologische Vielfalt dieser Flächen auch nach der militärischen Nutzung zu erhalten und naturschutzfachlich weiterzuentwickeln.


Fazit

Militärisch genutzte Flächen haben sich vielerorts zu wertvollen Rückzugsorten für seltene Arten entwickelt. Trotz oder gerade wegen ihrer speziellen Nutzung bieten sie ökologische Nischen, die andernorts zunehmend verschwinden. Der sensible Umgang mit diesen Gebieten, die fachliche Begleitung durch den Naturschutz und langfristige Pflegekonzepte machen sie zu einem wichtigen Bestandteil der deutschen Biodiversitätsstrategie – auch wenn sie auf den ersten Blick eher unerwartete Naturräume darstellen.