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Virtuelle Fahrzeugerprobung: Die Zukunft der Fahrzeugtests der Bundeswehr

Moderne Fahrzeuge, die in anspruchsvollen Einsätzen bestehen müssen, erfordern umfassende Tests und Erprobungen, um ihre Leistungsfähigkeit unter extremen Bedingungen sicherzustellen. In der Bundeswehr spielt die technische Prüfung von Fahrzeugen eine zentrale Rolle, um sicherzustellen, dass Soldaten sich im Einsatz auf ihre Ausrüstung verlassen können. Doch wie genau werden diese Tests durchgeführt, und welche Rolle spielt die Digitalisierung dabei?

Herausforderung realer Testbedingungen

Die Fahrzeuge der Bundeswehr müssen unter widrigsten Bedingungen funktionieren: unbefestigte Straßen, sandige Wüstenlandschaften, matschige Waldwege oder steiles, unwegsames Gelände – die Anforderungen an die Fahrzeugtechnik sind hoch. Auf Erprobungsbahnen und speziellen Teststrecken werden diese Belastungen simuliert. Dabei werden nicht nur die Fahrzeuge selbst, sondern auch die körperlichen Belastungen der Insassen berücksichtigt. Hohe G-Kräfte und ruckartige Bewegungen setzen den Fahrzeuginsassen zu und können gesundheitliche Folgen haben, etwa Rückenprobleme durch die ständige Belastung.

Das Ziel ist, die Fahrzeuge so zu testen, dass sie ihre Funktion auch unter extremen Bedingungen erfüllen können, ohne die Soldaten dabei zu gefährden. Diese Erprobungen, die oft bis an die physische Grenze gehen, werden von spezialisierten Dienststellen wie der Wehrtechnischen Dienststelle für landgebundene Fahrzeugsysteme in Rheinland-Pfalz durchgeführt.

Der digitale Testprozess: Ein Schritt in die Zukunft

Die Entwicklung und Erprobung von Fahrzeugen der Bundeswehr geht jedoch zunehmend auch in die digitale Richtung. Ein wichtiger Bestandteil dieser digitalen Transformation ist der Einsatz von virtuellen Prototypen. Mit spezieller Software können Fahrzeuge und ihre Bauteile bereits am Computer auf ihre Belastbarkeit getestet werden. Diese Art der Simulation ermöglicht es, die Erprobung zu beschleunigen und potenzielle Schwachstellen zu identifizieren, bevor überhaupt ein reales Fahrzeug auf die Teststrecke geschickt wird.

In der virtuellen Welt werden Fahrzeuge mit ihren realen Eigenschaften modelliert. Die Software berechnet, wie sich verschiedene Belastungen auf die Fahrzeugstruktur auswirken und ob sie den Herausforderungen eines realen Einsatzes standhalten können. Diese digitalen Tests ermöglichen eine präzisere Vorhersage der Fahrzeugleistung unter extremen Bedingungen, ohne dass ein Fahrzeug tatsächlich in den Testbetrieb geschickt werden muss.

Vorteile der digitalen Erprobung

Ein großer Vorteil der virtuellen Erprobung liegt in ihrer Effizienz. Durch die Simulation können verschiedene Szenarien wie Grabenüberschreitungen oder Hindernisüberwindungen getestet werden, ohne dass reale Fahrzeuge und Testfahrten notwendig sind. Auch die Auswirkungen auf die Insassen können simuliert werden, um zu überprüfen, wie ein Fahrzeug auf unebenem Terrain die Gelenke und Muskeln der Soldaten beeinflusst. Dadurch lässt sich bereits im Vorfeld feststellen, ob das Fahrzeug ergonomisch und gesundheitsschonend ist.

Zudem bietet die digitale Erprobung den Vorteil der Reproduzierbarkeit. Alle äußeren Faktoren wie das Wetter oder der Untergrund können in der Simulation exakt festgelegt werden, sodass die Tests unabhängig von den realen Bedingungen unter kontrollierten Randbedingungen stattfinden können.

Die Grenzen der digitalen Erprobung

Trotz dieser Vorteile hat die digitale Erprobung auch ihre Grenzen. Die Simulation von Fahrzeugen, insbesondere von komplexen Fahrzeugtypen wie Kettenfahrzeugen, ist eine sehr aufwendige und zeitintensive Aufgabe. Jedes Einzelteil des Fahrzeugs muss exakt abgebildet und simuliert werden, was die Berechnungszeiten erheblich verlängern kann. Kettenfahrzeuge mit zahlreichen Kettengliedern sind in dieser Hinsicht besonders komplex. Bei Fahrzeugen mit Reifen ist die Simulation zwar weniger komplex, bringt jedoch eigene Herausforderungen mit sich.

Aus diesem Grund bleibt die klassische Erprobung im realen Umfeld ein unverzichtbarer Bestandteil des Prüfprozesses. Die digitale Simulation ist zwar ein wertvolles Werkzeug, aber die echten, physischen Tests sind nach wie vor notwendig, um die vollständige Belastbarkeit und Funktionsfähigkeit eines Fahrzeugs sicherzustellen.

LVIS: Eine neue Dimension der Erprobung

Ein weiteres innovatives Konzept, das in der Fahrzeugerprobung der Bundeswehr eine Rolle spielt, ist das LVIS (Labor für virtuelle Erprobung und Simulation von Mobilitätsaspekten). In diesem neuen Labor sollen Fahrzeugkonzepte bereits in einer frühen Phase der Entwicklung unter realistischen Bedingungen getestet werden, noch bevor Prototypen gebaut werden.

Das LVIS ermöglicht es, Fahrzeugmodelle virtuell zu erproben und dabei Faktoren wie Ergonomie und die Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu berücksichtigen. Auf einer speziellen Bewegungsplattform werden Fahrzeugbewegungen in unterschiedlichen Geländeprofilen simuliert, um zu testen, wie sich diese auf die Insassen auswirken. Darüber hinaus werden die Fahrzeuginneneinrichtungen auf ihre Ergonomie überprüft, um sicherzustellen, dass die Soldaten im Einsatz schnell und effektiv auf ihre Umgebung reagieren können.

Fazit

Die Erprobung und Entwicklung von Fahrzeugen der Bundeswehr ist ein komplexer Prozess, der sowohl realistische Tests als auch digitale Simulationen umfasst. Während digitale Erprobung in der Anfangsphase des Entwicklungsprozesses eine wertvolle Unterstützung bietet, bleibt die klassische reale Testphase unverzichtbar, um die Einsatzfähigkeit der Fahrzeuge unter extremen Bedingungen sicherzustellen.

Dank innovativer Ansätze wie dem LVIS-Labor und der digitalen Erprobung kann die Bundeswehr jedoch sicherstellen, dass zukünftige Fahrzeuge nicht nur technisch einwandfrei, sondern auch ergonomisch optimiert sind – ein wichtiger Schritt, um den Soldaten im Einsatz die bestmögliche Ausrüstung zur Verfügung zu stellen.